Freunde finden für Eigenbrötler: Eine Schritt für Schritt-Anleitung

Freunde finden für Eigenbrötler: Eine Schritt für Schritt-Anleitung

Freunde finden war noch nie meine große Stärke. Ich habe den größten Teil meiner Kindheit als Einzelgängerin verbracht und als Erwachsene habe ich es dann nicht mehr hinbekommen, auf einer oberflächlichen Bekanntschaft eine tiefere Freundschaft aufzubauen. Meine Ex-Partner waren also in der Regel nicht nur meine Boyfriends, sondern ersetzten mir gleich ein ganzes soziales Umfeld.

Mir war klar, dass das alles andere als gesund war. Aber nach mehreren erfolglosen Versuchen, neue Freundschaften zu knüpfen, gab ich die Thematik irgendwann auf. Ich fand mich damit ab, dass ich zwar viele Menschen kannte, aber kaum jemanden hatte, den ich mitten in der Nacht anrufen würde, um eine Leiche zu verbuddeln. Ich wiederum hätte mich sehr über einen solchen Anruf gefreut. Also wenn ihr Leichen zu verbuddeln habt: Meldet euch. Der Preis ist ewige Freundschaft mit mir (haha, nur Spaß. Oder?).

Ich habe viele frühere Freundinnen an Beziehungen verloren. Sobald der Nestbautrieb einsetzte, waren gemeinsame Unternehmungen mit der Gang plötzlich nicht mehr so wichtig. Der Sonntagsbrunch mit den Bestis wurde gegen den Einkaufmarathon bei Ikea eingetauscht. Die gemeinsame Wohnung musste ja schließlich eingerichtet werden. Deshalb fühlte ich mich auch nicht schuldig, als ich mich mit meinem Ex-Freund von Rest der Welt abschottete. Schließlich schien das ja normal zu sein. Ich lebte 5 Jahre lang in der zweitgrößten Stadt Europas und hatte kaum Sozialkontakte. Und das war für mich völlig in Ordnung – bis meine Beziehung langsam den Bach runter ging.

Warum ist Freunde finden so schwer?

Zugegeben: Die Bedingungen für einen großen Freundeskreis waren nicht günstig. Ich war in den letzten 10 Jahren häufig umgezogen und meine Familie lebte weit weg. Die paar Berliner*innen, die ich kannte, bewegten sich in der Poetry Slam-Szene. Abgesehen davon, dass sie völlig andere Lebensrhythmen hatten als ich, spürte ich hier wenig Interesse, den freundlichen Kontakt zu intensivieren.

Ich bin nicht gut darin, neue Menschen kennenzulernen. Zwar bin ich alles andere als schüchtern, doch es fällt mir schwer, mich anderen Menschen gegenüber zu öffnen. Ich wurde in meiner Schulzeit gemobbt und habe seither große Angst vor Zurückweisung. Neue Kontakte knüpfen ist für mich daher auch immer eine riesige Überwindung. Von Bekannten habe ich öfter das Feedback erhalten, dass ich eine freundliche Reserviertheit ausstrahle – oder um es mit den Worten meines Exfreunds auszudrücken: Ich hatte den Charme eines Bürogebäudes.

Freunde finden: Anleitung für Bürogebäude

Es brauchte Therapie, Geduld und eine Menge Überwindung, um von meiner einsamen Insel zu flüchten. Dafür kann ich heute auf ein stabiles Netzwerk aus netten und hilfsbereiten Menschen zurückgreifen, die ich Mitten in der Nacht anrufen würde, wenn die Hütte brennt. Ich habe eine Vielzahl an Bekanntschaften für gemeinsame Unternehmungen. Ich werde zu Partys, Events und Geburtstagen eingeladen. Niemand vergleicht mich mehr mit einem Bürogebäude. Was dafür nötig war, folgt jetzt – Schritt für Schritt.

Suche dir einen Sparringspartner

Niemand spricht gerne darüber, dass er oder sie keine Freunde hat. Menschen, die keine Freunde finden, sind weird und wir wollen nicht weird rüberkommen. Trotzdem muss man das Problem irgendwie adressieren und dafür musst du zumindest mit einer Person in deinem Leben Klartext reden. Ich habe mit meinem Psychotherapeuten darüber gesprochen. Du kannst aber auch ein Familienmitglied oder eine entfernt lebende Freundin fragen. Wie du eine Psychotherapie findest, kannst du bei der Stiftung Gesundheitswissen nachlesen. Mein Psychotherapeut hat mir erst einmal versichert, dass ich nicht weird bin. Puh, Glück gehabt. Dann haben wir uns zusammen angeschaut, wie ich und meine Körpersprache auf andere Menschen wirken. Spoiler: Ich wirke wohl etwa so herzlich wie Marzahner Plattenbauten. Aber gut, darauf kann man zumindest aufbauen. Das haben wir dann auch gemacht.

Schlechte Glaubenssätze löschen

Ich bin nicht interessant. Ich sage immer das Falsche. Eigentlich finden die Leute mich alle ziemlich unangenehm. Solche Sätze spulen sich in Dauerschleife in meinem Kopf ab, wenn ich mit Menschen zusammen bin. Könnt ihr euch vorstellen, dass ich mit solchen Gedanken besonders herzlich, fröhlich und selbstbewusst gewirkt habe? Ne, ich auch nicht. Deshalb ist es besser, solchen negativen Gedanken einen positiven oder zumindest neutralen entgegenzustellen.

Beispiel:

Es gibt bestimmt interessantere Menschen als mich, aber ich bin auf jeden Fall interessanter als das Buch, was du da liest.

Es gibt Menschen, die werden dafür gefeiert, nur Falsches zu sagen (oder sind damit sogar US-Präsident geworden). Dann kann es nicht schlimm sein, wenn mir mal ein falscher Satz herausrutscht.

Ein Vorbild im Freunde finden suchen

Ein großes Hindernis bei meiner Suche nach Freunden war immer noch mein Bürogebäude-Charme. Aus Angst davor, zurückgewiesen zu werden, trug ich ständig einen unsichtbaren Panzer. Meine Körpersprache sagte nicht „Komm her und sprich mit mir“, sondern eher „Ah, bleib bitte auf Abstand“. Das war vielleicht die Veränderung, die mir am schwersten fiel, weil Körpersprache ja selten bewusst stattfindet.

Um das Problem zu lösen habe ich mir ein Vorbild gesucht: eine Person, die beliebt war und ganz leicht Bekanntschaften knüpfte. Diese Person zu beobachten wurde mein neuer Lebensinhalt (nicht auf eine creepy Art!). Wie geht sie auf andere Menschen zu? Was sagt sie? Wie bewegt sie sich dabei? Was tun ihre Augen, Arme und Beine, wenn sie mit anderen Menschen spricht? Diese Verhaltensweisen versuchte ich, nach und nach zu übernehmen. Das hat sich zunächst ziemlich mechanisch angefühlt. Mit der Zeit wurde es aber natürlicher und inzwischen wage ich zu behaupten, dass ich zumindest Penthouse-Charme erreicht habe.

Freunde finden zum Prio A-Projekt machen

Ich war schon immer gut darin, mich alleine zu beschäftigen. Wahrscheinlich auch ein Grund, warum ich in der sozialen Isolation so lange überlebt habe. Um Freunde zu finden, hilft Alleinunterhaltung aber nicht weiter. Ich brauchte Zeit, um mich unter Menschen zu begeben und musste mich möglichst verfügbar halten, für den Fall, dass mich jemand einlud. Deshalb musste ich einige meiner zeitfressenden Hobbys vorübergehend aussetzen. Ich habe meinen Nebenjob als Poetry Slammerin für ein Jahr aufgegeben, weil mir zwischen Texteschreiben und Auftritten kaum Zeit geblieben wäre, um potenzielle zukünftige Freunde zu daten.

Bestehende Bekanntschaften abklopfen

Per Kaltakquise neue Freunde zu finden ist eher eine Herausforderung für Fortgeschrittene. Als Anfängerin habe ich mich zuerst auf Menschen konzentriert, mit denen ich zumindest einmal gesprochen hatte: Kolleg*innen, Nachbar*innen, eingeschlafene Freundschaften. Erfolg hatte ich schließlich bei einer Frau, die ich mal bei einem Brunch kennengelernt hatte. Sie zählt heute zu meinen engsten Freundinnen.

Neue Hobbys ausprobieren

Ernsthaft, ich habe so viele Hobbys, dass ich mich immer am Rande eines Freizeit-Burnouts bewege. Das Problem ist, dass ich die meisten davon alleine ausüben kann und das wollten wir ja gerade nicht. Also brauchen wir Hobbys, die was mit anderen Menschen zu tun haben und nein – das Publikum beim Poetry Slam zählt nicht als Sozialkontakt.

Tatsächlich muss man sich hier aber gar nicht groß verstellen. Dank Apps wie Meetup oder Spontacts lässt sich für fast jede Freizeitaktivität eine Gruppe Gleichgesinnter finden. Ich habe hier diverse Gruppen ausprobiert von Wandern bis hin zum Buchclub. Hängen geblieben bin ich dann tatsächlich beim Brettspielplatz in Berlin: Hier habe ich endlich die Nerds gefunden, die mit mir fiktive Dämonen jagen und im Dungeon gegen die großen Alten kämpfen. Ich liebe diesen Ort.

Sage Ja so oft du kannst

Ich weiß noch, wie doll ich mich gefreut habe, als nach einigen Wochen Kontakteknüpfen die erste Einladung kam: ein Geburtstag. Natürlich sagte ich zu. Je näher die Party jedoch rückte, desto lauter wurden meine Zweifel: Kannte ich auf der Party überhaupt jemanden? Wahrscheinlich wurde ich nur aus Höflichkeit eingeladen. Und überhaupt ist Spandau ja viel zu weit draußen. Vielleicht hattest du auch schon solche Gedanken. Fast hätten sie dazu geführt, dass ich die Einladung im letzten Moment noch abgesagt hätte. Aber hier kam mein Verbündeter aka Therapeut wieder ins Spiel. Wenige Tage zuvor hatte ich ihm nämlich versprochen, dass ich nicht mehr Nein sagen würde. Sofern irgendwie machbar sollte ich jede Einladung zu einer gemeinsamen Aktivität annehmen und keinesfalls wieder absagen. Ein Kollege lädt dich zur gemeinsamen Mittagspause ein? Du sagst ja. Die Nachbarn laden zur Grillparty ein? Du kaufst ein Sixpack Bier und klingelst. Sage Ja, auch wenn du dir nicht sicher bist, ob dir die Unternehmung Spaß machen wird. Sage Ja zum Camping-Trip, auch wenn du eigentlich nicht gerne zeltest. Natürlich kann es passieren, dass dein Zelt im Regen wegschwimmt, die Leute nerven und dein Essen von Ameisen entführt wird. Wahrscheinlicher ist aber, dass du einfach eine gute Zeit haben wirst. Im schlimmsten Fall kannst du immer noch frühzeitig gehen.

Lese mehr darüber, wie ich ein Jahr lang (fast) jede Einladung angenommen habe

Dating Apps für BFFs

Dating Apps für beste Freundinnen Dating Apps gibt es inzwischen nicht nur für Singles, die ihre nächste große Liebe suchen. Bumble oder Lovoo zum Beispiel haben auch Modi für Menschen, die Freundschaften suchen. Das Prinzip ist bekannt: swipen, schreiben und – wenn alles passt – treffen. Ich habe ein paar Frauen über Bumble Friends getroffen. Leider hat sich keine intensivere Freundschaft daraus entwickelt und die Kontakte brachen schnell wieder ab. Deshalb würde ich dir nicht empfehlen, ausschließlich mit Dating Apps nach neuen Freundschaften zu suchen. Gerade für Menschen, die in Gruppensituationen schnell untergehen kann das 1-on-1-Dating zunächst aber einfacher sein.

So habe ich mir nach und nach einen neuen Freundeskreis aufgebaut. Nicht alle Menschen, die ich seitdem kennengelernt habe, sind mir geblieben. Nicht aus jeder Bekanntschaft hat sich eine innige Freundschaft entwickelt. Das ist okay. Es kann ja auch nicht immer passen. Und überhaupt bleibt im Leben ja auch gar keine Zeit für unendlich viele Freund*innen. Ich freue mich über die, die ich habe und würdige die Zuneigung, die mir von anderen entgegengebracht wird. Seitdem ertrage ich es auch deutlich besser, alleine zu sein – weil es jetzt eine Entscheidung ist und kein unvermeidlicher Zustand.

Lisa beim Mammutmarsch
Ja zu 100 Kilometern. Easy.

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Sag Ja!

Neue Menschen lernt man außerhalb seiner Komfortzone kennen. Wenn du also zu etwas eingeladen wirst, solltest du möglichst immer zusagen. Ich habe ein Jahr lange jede Einladung angenommen und lebe jetzt ein ganz neues Leben.

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