Single-Steuer: Alleinsein ist verdammt teuer

Single-Steuer: Alleinsein ist verdammt teuer

Inflation, höhere Krankenkassenbeiträge und steigende Lebenskosten – Leben ist teuer geworden. Während die Parteien im Wahlkampf aber vor allem davon reden, Konzerne oder Familien zu unterstützen, hat keiner die finanzielle Belastung der Alleinstehenden auf dem Schirm. Denn von der Single-Steuer lässt sich leider wenig absetzen.

Nach einem Jahr Alleinleben bin ich ganz in meinem Element. Ich genieße die Vorzüge einer eigenen Wohnung und jede Menge Freiheit. Eigentlich könnte alles perfekt sein, wenn das nicht der Blick aufs Konto wäre: Keinen Partner zu haben geht richtig ins Geld. Wer alleine lebt hat nicht nur höhere Lebenskosten als Paare – auch bei Steuern, Versicherungen oder in der Freizeitgestaltung zahlen Singles drauf. Diese Single-Steuer (engl. Single Tax) gehört abgeschafft. Und dafür bräuchte es nicht einmal viel. Ein generelles Umdenken in der Gesellschaft wäre ein guter Anfang.

Was ist denn bitte die Single-Steuer?

Der Begriff Single-Steuer oder Single-Tax fasst mehrere finanzielle Nachteile zusammen, die Singles im Vergleich zu Paaren erfahren. Dazu gehören beispielsweise:

  • Wohnkosten: Alleinlebende tragen die volle Miete mit Nebenkosten. 
  • Versicherungen: Die Tarife für Hausrat-, Haftpflicht oder andere Versicherungen sind für Einzelpersonen teurer, u. a. deshalb, weil Partner*innen in der Regel kostenlos mitversichert werden können.
  • Lebensmittel: kostengünstige Großpackungen lohnen sich für Singles in der Regel nicht. 
  • Entertainment: Alleinstehende zahlen die Gebühren für GEZ, Internet, Netflix, Spotify und Co. alleine.
  • Reisen: In den meisten Hotels werden Singles für ein Einzelzimmer fast doppelt zur Kasse gebeten. Auch die Kosten für ein eigenes Auto kann man sich als Single mit niemandem teilen.

Warum gibt es die Single-Steuer?

Die deutsche Gesellschaft ist traditionell auf Familien und Paare ausgerichtet. Vor allem die Ehe genießt in Deutschland viele Vergünstigungen und durch Artikel 6 des Grundgesetzes sogar einen besonderen Schutz. Dafür geht der Staat auch davon aus, dass Ehepartner*innen und Paare sich in finanziellen Notlagen auch gegenseitig unterstützen und deshalb nicht auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Wer in einer sogenannten “Bedarfsgemeinschaft” lebt, ist laut Sozialgesetzbuch also auch dazu verpflichtet, für die Mitglieder dieser Gemeinschaft mitzubezahlen.

Auch für Unternehmen lohnt es sich wirtschaftlich eher, günstige Konditionen für Paare anzubieten.

Singles zahlen mehr Steuern als Verheiratete

Deutschland ist für Steuerzahler*innen grundsätzlich kein Paradies. Die Industrieländer-Organisation (OECD) hat errechnet, dass Deutschland das Mitgliedsland mit dem zweithöchsten Anteil an Steuern und Sozialabgaben ist. Nur in Belgien treten Arbeitnehmer*innen mehr von ihrem Gehalt an den Fiskus ab. 

Zugeben: Das Finanzamt interessiert sich wenig dafür, ob du gerade jemanden datest oder ob es kompliziert ist. So lange an deinem Ringfinger nichts blinkt, bist du steuerlich gesehen Single und fällst damit in die teure Steureklasse I. Deshalb tut der Blick auf den Gehaltszettel für Unverheiratete auch ziemlich weh: Laut der OECD-Erhebung wird das Einkommen eines Singles mit Durchschnittsgehalt mit fast 48 Prozent Steuern belastet. Das bedeutet, dass die Hälfte des Bruttoeinkommens nicht einmal auf dem Konto von alleinstehenden Arbeitnehmer*innen ankommt. 

Für Verheiratete mit zwei Kindern dagegen liegt der Steueranteil bei knapp 33 Prozent. Das liegt vor allem an den günstigeren Steuerklassen für Ehepartner*innen. Steuerliche Vergünstigung sind für viele langjährige Paare also ein ausreichender Grund, sich das Ja-Wort zu geben – auch wenn sie es persönlich gar nicht gebraucht hätte.

Armut, Druck, Ausgrenzung: Folgen der Single-Steuer

Die meisten von uns gewöhnen sich irgendwie an die höheren Kosten und finden einen Weg, damit klarzukommen. Doch gerade in Zeiten von Inflation und steigenden Lebenskosten kann die Single-Tax weitreichende Folgen haben. 

Erhöhtes Armutsrisiko:

Job verloren, Krankheit oder finanzielle Verluste: Wenn ein zweites Einkommen zur Absicherung fehlt, kann man schnell in die Armut rutschen. Das gilt vor allem im Alter: Wenn ich mir meinen Rentenbescheid anschaue, fange ich jetzt schon an, zu rechnen wie viel Leben ich mir im Ruhestand eigentlich noch leisten kann.

Eingeschränkte Entscheidungsfreiheit:

Er ist zwar nicht nett, aber immerhin hat er Geld. Liebe und Finanzen hängen enger zusammen als man auf Anhieb meint. Wer finanziell von einem Partern, einer Partnerin abhängig ist, trennt sich womöglich nicht – auch wenn die Beziehung schon lange nicht mehr glücklich ist. Andersherum können potenzielle Heiratskandidaten durch den Ausblick auf sinkende Kosten plötzlich sehr viel attraktiver erscheinen. 

Soziale Ausgrenzung:

Ich wäre dieses Jahr gerne alleine in den Urlaub gefahren. Aber bei den Preisen für ein Einzelzimmer habe ich lieber umgeplant. Ich muss momentan noch nicht jeden Euro umdrehen. Trotzdem überlege ich mir schon, für welche Freizeitaktivitäten ich mein Geld ausgeben möchte. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass ich weniger mit Freund*innen unternehmen kann, weil mir das Geld dafür fehlt. Und gerade für Singles sind Freund*innen oft die wichtigsten Bezugspersonen. 

Die Single-Steuer muss weg

Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland rund 19 Millionen Menschen alleine und die Zahl steigt seit 20 Jahren kontinuierlich an. Alleinstehende sind also keine Randgruppe. Das Singleleben etabliert sich zunehmend als Konzept für Menschen, die entweder keine Partnerschaft wollen oder noch nicht das geeignete Gegenstück gefunden haben. Egal ob freiwillig oder nicht: Ein Beziehungsstatus sollte keine finanzielle Nachteile mit sich bringen. Mein Grundbedürfnis nach Essen und einem Dach über dem Kopf sollte mich nicht in eine Partnerschaft treiben.

Wir müssen über Lebenskosten für Singles sprechen.

Wenn über Armut gesprochen wird, denken die meisten Menschen an Renter*innen, Alleinerziehende oder Menschen mir Migrationshintergrund. Die finanzielle Belastung von Singles hat fast niemand auf dem Schirm. Um das zu ändern, brauchen wir eine öffentliche Diskussion.

Steuern sollten keine Frage des Familienstands sein.

Wen ich liebe und ob ich heirate, sollte eine persönliche Entscheidung sein. Den Staat geht das nichts an. Dementsprechend sollte mein Beziehungsstatus auch keinen Einfluss auf meine Steuer haben. 

Unternehmen sollten sich Singles als neue Zielgruppe erschließen.

Wir Singles können für Unternehmen eine attraktive Zielgruppe sein: Wir haben mehr Freizeit als Paare, gehen gerne aus und benötigen vielleicht die ein oder andere Ersatzbefriedigung, wenn die Freundschaft plus uns mal wieder versetzt hat. Hier gibt es viele Möglichkeiten, uns als neue Kund*innen zu gewinnen. Liebe Unternehmen, macht was draus, indem ihr uns attraktive Angebote macht.

Wie lebst du mit der Single-Steuer?

Wie kommst du mit den steigenden Kosten klar? Hat deine finanzielle Lage schon deinen Lebenswandel beeinflusst? Gibt es Dinge, auf die du bewusst verzichtest, um dein Konto zu schonen? Schreib mir dazu, gerne hier in die Kommentare oder auf Instagram.

Eheringe
Eheringe

Weiterlesen

Glücklich verheiratet?

Für viele Menschen ist das Heiraten ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Glück. Aber sind verheiratete Leute tatsächlich glücklicher als Singles? Ich habe mir aktuelle Studien zum Thema angesehen und bin zu einem interessanten Schluss gekommen.

Lisa-Marie Avatar

One response to “Single-Steuer: Alleinsein ist verdammt teuer”

  1. Flibbo Avatar
    Flibbo

    Bis gerade eben hab ich mir eingeredet, ich lebe besonders günstig, weil ich nicht ständig jemanden zum Essen einlade oder Geschenke kaufe. Und dass ich mir eine Partnerschaft gar nicht leisten könnte, weil es alleine ja schon knapp ist. Aber dieser Beitrag war echt ein guter Augenöffner und Denkanstoß. Ich persönlich kenne es halt gar nicht anders. Was ich zahle, ist wortwörtlich der Preis der Freiheit.
    Cooler Blog generell, bin Fan!

Verified by MonsterInsights