Je näher Valentinstag kommt, umso höher stapeln sich romantische Filme in meinem Netflix-Feed – einer toxischer als der andere. In den Kinos steht ein weiterer Bridget Jones-Film in den Startlöchern und der Trailer lässt nicht hoffen, dass dieser Teil ein weniger schäbiges Frauenbild zeichnet. Warum sind Liebesfilme so furchtbar? Und gibt es auch Beispiele dafür, wie es besser geht?
Meine erste RomCom war ein großes Happening für mich. Ich war 12, als meine Mutter mich einlud, mit ihr gemeinsam “Pretty Woman” zu schauen. Mit Keksen und Kinderpunsch auf dem Schoß sah ich zu, wie Julia Roberts als Prostituierte von einem Millionär (Richard Gere) “gerettet” wurde und fand das genauso romantisch und unproblematisch wie meine Mutter, die bei jeder Kussszene theatralisch seufzte.
Ich habe “Pretty Woman” so acht bis zwölfmal gesehen, ebenso wie “Notting Hill”, “Die Braut, die sich nicht traut” und “America’s Sweethearts”. Nicht unbedingt, weil die romantischen Filme es wert waren, so oft gesehen zu werden, sondern eher, weil ich Uns-Zeit mit meiner Mutter wollte. Trotzdem haben sie mein frühes Verständnis über Liebe stark geprägt.
Was romantische Filme mir beigebracht haben
Auch wenn “Pretty Woman” nicht gut gealtert ist, halte ich diesen Klassiker der RomComs längst nicht für den problematischsten. Und das obwohl er eine wichtige Regel bricht: Date nie jemanden, mit dem du arbeitest.
Fast jeder Liebesfilm, den ich bisher gesehen habe, romantisiert toxisches oder problematisches Verhalten und verstärkt sexistische Rollenbilder. Hier ein paar tolle Lektionen, die ich aus Liebesfilmen gelernt habe:
- Wenn du verliebt bist, stalke die Person einfach, bis sie deine Gefühle erwidert.
- Knebelverträge sind eine überschaubare Hürde auf dem Weg zu wahrer Liebe, Mr. Grey.
- Selbstmorddrohungen sind ein akzeptables Mittel, um dein Love-Interest zu einem Date zu überreden (Wie ein einziger Tag)
- Jede erfolgreiche Frau braucht einen Mann. Sie weiß es nur noch nicht.
- In jedem Bad Boy steckt ein perfekter Boyfriend.
- Der Typ mit den Bindungsängsten hat einfach die Richtige noch nicht getroffen – mich.
- Mitten in eine Hochzeit reinplatzen und mit der Braut/dem Bräutigam durchbrennen ist eine legitime Konfliktösestrategie.
- Wenn jemand deine Karriere zerstört, kannst du ihn immer noch heiraten (E-Mail für dich)
- Platonsiche Freundschaften zwischen heterosexuellen Männern und Frauen sind unmöglich.
- Antipathie und gegenseitiges Ankeifen ist eine Art Vorspiel für die große Liebe.
- Wenn du lange genug mit deiner Freundschaft plus schläfst, ist Heiraten nicht mehr fern.
Warum romantische Filme oft toxisch sind
Geschichten brauchen Konflikte, um spannend zu sein. In Liebesgeschichten besteht der Konflikt aus Faktoren, die die beiden Liebenden davon abhalten, zusammenzukommen. Das können externe Faktoren sein. Zum Beispiel: Die Familien der beiden Verliebten sind hoffnungslos zerstritten und wollen die Beziehung um jeden Preis verhindern. Den Plot hat sich aber Shakespeare bereits gesichert und er hat ihn nicht besonders lustig umgesetzt.
Da die Möglichkeiten für externe Konflikte begrenzt sind, greifen Drehbuchautoren auf interne Konflikte zurück. Das sind ungelöste Probleme, Charaktereigenschaften oder Glaubenssätze, mit denen die Protagonisten hadern und die sie davon abhalten, sich aufeinander einzulassen. Vielleicht wurden sie von ihren Eltern früher mal alleine gelassen und deswegen haben sie jetzt Verlustängste. Oder ihre erste Liebe hat auf dem Liebesbrief “Nein” angekreuzt und jetzt haben sie Angst, verletzt zu werden. Oder sie sind Vampire und haben Angst, ihre große Liebe versehentlich umzubringen.
Natürlich sind solche Konflikte für viele Menschen real und grundsätzlich hat jeder von uns auch das Potenzial, die eigenen Probleme zu erkennen und sich weiterzuentwickeln. In den meisten Rom Coms findet aber keine richtige Auseinandersetzung mit diesen Problemen statt. Der wichtige Schritt der Entwicklung wird in einem Moment plötzlicher Erkenntnis, einem reumütigen Monolog und einer Heldentat abgefrühstückt. Hollywood schafft in drei Szenen, wofür Therapeut:innen Monate und Jahre brauchen. Das kann nur unglaubwürdig wirken.
Warum ich mir den Mist nicht mehr anschaue
Natürlich kann ich mir RomComs anschauen, obwohl ich weiß, dass sie problematische Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft vermitteln. Ich kann ja auch über Witze lachen, in denen tote Babys vorkommen, obwohl ich das Töten von Babys abscheulich finde. Anders als die Witze machen mir RomComs aber keinen Spaß mehr. Ich habe keine Lust mehr, mitanzusehen, wie basic white Guy und basic white Bitch unter dem Banner der “großen Liebe” wirklich schreckliche Dinge tun. Ich habe Lust auf gesunde Beziehungen, in denen die Beteiligten ihre Konflikte gemeinsam lösen. Ich habe Lust auf diverse Paare, die nicht aussehen wie gephotoshopt. Und am meisten Lust habe ich auf Protagonisten, die die Liebe ihres Lebens nicht in einer Paarbeziehung finden.
4 romantische Filme und Serien über gesunde und diverse Liebe
Heartstopper
Heartstopper ist eine britische Coming-of-Age-Serie, die auf den Graphic Novels von Alice Oseman basiert. Im Mittelpunkt stehen die beiden Teenager Charly und Nick, die miteinander die Freuden und Herausforderungen ihrer ersten Liebe erleben. Daneben werden viele weitere Aspekte rundum queere Liebe und Sexualität thematisiert: So geht es auch um Transsexualität, sexuelle Identität, Asexualität. Heartstopper ist echtes Feelgood-Fernsehen: Hier sehen wir Paare, die liebevoll miteinander umgehen, Konflikte konstruktiv lösen und einander in allen Situationen unterstützen.
Love is strange
Nach 40 Jahren Beziehung dürfen die beiden New Yorker Ben und George endlich heiraten. Als George kurz darauf seinen Job verliert, können sie sich die gemeinsame Wohnung nicht mehr leisten und müssen getrennt voneinander bei Freunden wohnen. Dabei kommen sie mit verschiedenen Generationen und Lebenswelten in Berührung. Ehrlich: Der Film ist nicht besonders gut. Das liegt hauptsächlich daran, dass die beiden Protagonisten so wenige gemeinsame Szenen haben. Die spielen nämlich ein ganz bezauberndes Paar, das allen Konflikten mit strahlender bedingungsloser Zuversicht begegnet.
The Marvelous Miss Maisel
Nachdem Midge Maisel herausfindet, dass ihr Mann fremdgeht, hat sie keinen Bock mehr auf das heile Eheleben. Stattdessen entdeckt sie ihre wahre große Liebe: Stand-up Comedy. Zusammen mit ihrer Managerin Susie beginnt sie eine schillernde und skandalöse Karriere. Ich liebe Mrs. Maisel, weil sie ein Leben lebt, das ich mir wünschen würde. Zwar gibt es in Midges Leben auch die ein oder andere Romanze, aber keine davon kommt ihr näher, als die ruppige Susie, mit der sie eine tiefe Freundschaft verbindet. Ich fand es sehr erfrischend, das Leben einer Frau zu sehen, in dem Partnerschaft eine absolute Nebensache ist.
When Harry met Sally
Die Geschichte von Harry und Sally kam 1989 in die Kinos und ist dafür erstaunlich gut gealtert. Auch sie beginnt ganz klassisch mit zwei Menschen, die sich nicht ausstehen können. Aber dadurch, dass die Handlung sich über viele Jahre abspielt und die Charaktere zwischendurch Zeit haben, Erfahrungen zu sammeln und sich zu entwickeln ist die Wendung von Hatern zu Lovern durchaus plausibel. Bevor hier überhaupt romantische Gefühle ins Spiel kommen, haben Harry und Sally Zeit, sich kennenzulernen und anzufreunden. Mama, vielleicht hättest du diesen Film für meine erste RomCom wählen sollen.
Kennst du mehr Beispiele für gesunde romantische Filme?
Ganz ehrlich: Ich hätte euch gerne mehr als vier Beispiele geliefert. Aber ich fand es unfassbar schwierig, überhaupt diese vier zu finden. Kennst du weitere Filme und Serien, in denen gesunde und diverse Liebesbeziehungen thematisiert werden? Bitte teile sie doch mit mir: Du kannst mir hier in die Kommentare schreiben oder eine Nachricht auf Instagram schicken. Ich werde deine Vorschläge hier mit aufnehmen – damit alle in Zukunft alle besseres Wohlfühlfernsehen genießen können.